Eine attische Pelike

Inv. 114 (1951 aus der Sammlung Preyß erworben; Fundort unbekannt)
Höhe: 15,9 cm; Durchmesser Mündung: 9,5 cm
Erhaltungszustand: intakt
Einordnung: Athen, rotfigurig, um 440/430 v.Chr.

Die bekannteste Gefäßform der griechischen Antike ist die Amphora; die Pelike (Abb. 1) stellt eine ihrer zahlreichen Sonderformen dar. Die Pelike kam gegen 520 v.Chr. in den attischen Töpferwerkstätten auf und wurde bis zum Ende der rotfigurigen Vasenmalerei im späten 4. Jh. v.Chr. hergestellt. Die Bezeichnung Pelike ist nicht antik, denn die Griechen nannten die Gefäßform stamnos oder stamnion. Da dieser Name in der modernen Forschung allerdings bereits für eine andere Gefäßform verwendet wurde, erhielt die hier in Rede stehende Variante der Amphora den Namen Pelike.

Die Pelike zeichnet sich durch eine bauchig-gedrungene, sackähnliche Grundform aus und zeigt einen fließenden Übergang vom Gefäßkörper zum Hals. Außerdem weist sie einen breiten, abgesetzten Standring auf. Die beiden vertikalen Henkel des Gefäßes sind vom Hals auf die Schultern geführt. Die Pelike hat eine weite Öffnung, die nicht mit einem Deckel verschlossen wird. Die Höhe der Gefäße reicht etwa von 15 bis 40 cm. Im Laufe ihrer Geschichte war die Gefäßform nur geringen Veränderungen ausgesetzt. Mit der sogenannten Halspelike hat sich lediglich eine spezielle Form, die sich durch einen längeren Hals auszeichnet, herausgebildet.

Ähnlich wie die Amphora wurde auch die Pelike zur Aufbewahrung von Wein, Öl und Wasser verwendet. Der niedrige Schwerpunkt verleiht der Pelike eine hohe Standfestigkeit und machte sie damit, wie Vasenbilder zeigen, zu einem Gefäß, das besonders auf dem Markt verwendet wurde. Darüber hinaus benutzte man Peliken aber auch in den Wohnhäusern zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten. Als Grabbeigaben erscheinen Peliken dagegen nur selten, und auch ihre Bildthemen weisen kaum je sepulkrale Bezüge auf.

Bei der Pelike der Mainzer Sammlung (Inv. 114) handelt es sich um ein attisch-rotfiguriges Gefäß. Der rotbraune Tongrund ist mit einem glänzenden schwarzen Überzug versehen, der allerdings nur nachlässig aufgetragen wurde. Am Übergang von der Schulter zum Hals erkennt man einen Eierstab. Das Gefäß zeigt auf den beiden Hauptseiten je eine Figur. Auf Seite B erkennt man einen nach links gewandten stehenden Jüngling. Er ist mit einem langen Mantel bekleidet, trägt im Haar eine rote Binde und lehnt sich auf einen Knotenstock. Die Gegenseite zeigt einen weiteren Manteljüngling, der sich ebenfalls auf einen Knotenstock stützt (Abb. 1). In seinen Händen hält er eine ehemals rote Tänie mit Fransen. Der Jüngling beugt sich zu einer Stele herab, die mit einer nicht lesbaren Inschrift versehen ist. Seine Haltung deutet darauf hin, dass er die vor ihm stehende Stele mit der Tänie schmücken will. Auch in der Umzeichnung ist nicht zu erkennen ob es sich bei der Inschrift auf der Stele um einen Namen oder eine nonsense inscription, also eine Inschrift ohne Bedeutung, handelt.

Mantel und Knotenstock machen deutlich, dass die beiden Jünglinge attische Bürger sind. Nicht unproblematisch ist die Deutung der Stele auf Seite A, die von dem Manteljüngling mit einer Binde geschmückt wird (Abb. 1). Andere Vasenbilder bezeugen, dass Grabstelen mit Tänien umwunden wurden, doch ist die Stele auf unserer Pelike wohl zu klein für ein Grabmal. Stelen, auf denen Gesetzte oder Bekanntmachungen eingemeißelt waren, befanden sich auf öffentlichen Plätzen wie der Agora oder entlang wichtiger Straßen, so dass jedermann sie sehen konnte. Die Stele auf der Mainzer Pelike stellt allerdings wahrscheinlich keine solche Inschriftenstele, sondern eher einen Zielpfeiler in einer Sportanlage dar. Solche Zielpfeiler konnten, ähnlich wie die Grabstelen, ebenfalls mit Tänien verziert werden. Sportliche Betätigung war ein wichtiger Teil der Ausbildung junger Männer aus wohlhabenden Familien Athens. Angesichts der beiden durch Mantel und Stock als Bürger gekennzeichneten Jünglinge auf unserer Pelike erscheint diese Deutung in der Tat am überzeugendsten.

Die Mainzer Pelike (Abb. 1) wird dem Maler des Würzburger Kamels zugeschrieben. Dieser Maler ist nach einer Pelike in Würzburg (Abb. 2) benannt, die auf einer Seite ebenfalls einen einzelnen Manteljüngling mit Knotenstock zeigt, während auf der Gegenseite ein Kamelreiter erscheint. Beide Gefäße gehören in die hochklassische Zeit und können in die Jahre um 440/430 v.Chr. datiert werden.

Literatur:

E. Böhr, CVA Mainz (2) Taf. 6. 7, 1. 2. - Zur Form: M. G. Kanowski, Containers of Classical Greece: A Handbook of Shapes (St. Lucia, Queensland 1984) 113-115; I. Scheibler, Griechische Töpferkunst. Herstellung, Handel und Gebrauch der antiken Tongefäße 2(München 1995) 16 f. 42. 45.

Stella Berg