Gründung 1948
Die Geschichte der Klassischen Archäologie an der JGU Mainz beginnt mit der Erstbesetzung des Lehrstuhls. Das Verfahren, in dem mehrere namhafte Vertreter des Faches zur Berufung vorgeschlagen wurden, zog sich über einen längeren Zeitraum hin, und blieb zunächst ergebnislos. Das Amt erhielt schließlich im Jahr 1948 Roland Hampe (1908–1981), der von Kiel nach Mainz wechselte und hier fast zehn Jahre wirkte, bis er 1957 die Mainzer Universität verließ, um fortan in Heidelberg zu lehren. Hampe fing in Mainz praktisch bei null an. Da die alte Mainzer Universität nach dem Ende des Kurmainzischen Staates nicht weiter existierte, gab es an der wieder gegründeten JGU keinerlei archäologischen Lehrapparat, wie er an anderen Traditionsuniversitäten vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert sukzessive zusammengetragen worden war, auf den Hampe hätte zurückgreifen können. Gleichwohl gingen er und seine Mitarbeiter, darunter Erika Simon (1927–2019) und German Hafner (1911–2008) mit großem Elan daran, zunächst eine Bibliothek und bald darauf auch eigene Sammlungen für den Lehrbetrieb aufzubauen. Letztere dienten zudem einer inner- wie außeruniversitären Vermittlungsarbeit, die sich an ein nicht fachspezifisches, allgemein interessiertes Publikum wendete.
Die Anfänge
Hampe hatte in seinen Forschungen eindeutig einen griechischen Schwerpunkt. Hervorzuheben sind aus seiner Mainzer Zeit die grundlegenden Untersuchungen zu einem attischen Grabfund, der durch seine Bemühungen an die JGU kam, und das frühe interdisziplinäre Interesse am griechischen Töpferhandwerk und den damit verbundenen Herstellungstechniken. Hampe arbeitete dabei eng mit dem in Mainz-Kastel wohnenden Keramiker Adam Winter zusammen, mit dem er gemeinsam Forschungsreisen unternahm, worüber mehrere Publikationen erschienen. Damit wurde in Mainz die Basis für spätere DFG-Projekte in Heidelberg gelegt, an der auch naturwissenschaftliche Fächer beteiligt waren. Hampe hat hier echte Pionierarbeit geleistet.
Durch German Hafner und Erika Simon wurden darüber hinaus zum Teil andere Lehr- und Forschungsimpulse gesetzt. So habilitierte sich Hafner 1951 mit einer Untersuchung über Späthellenistische Bildnisplastik – Versuch einer landschaftlichen Gliederung (erschienen 1954). Diese Forschungen dehnte er später auf den Bereich der etruskischen Terrakottavotivköpfe aus. In mehreren Aufsätzen publizierte er in den 1960er Jahren den entsprechenden Bestand des vatikanischen Museo Gregoriano Etrusco. Hervorzuheben sind ferner Hafners populärwissenschaftliche Bemühungen. Schon 1961 legte er im Züricher Atlantis-Verlag eine Geschichte der griechischen Kunst vor, der wenige Jahre später in der Reihe Kunst im Bild des Baden Badener Verlages Holle die Bände Kreta und Hellas (1968) sowie Athen und Rom (1969) folgten. Hafners berühmtestes Buch dürften freilich seine 1978 publizierten Sternstunden der Archäologien – Wissenschaftler auf Spuren alter Kulturen sein. Bis zu seinem Tod publizierte Hafner weitere wissenschaftliche als auch populärwissenschaftliche Abhandlungen.
Im Vergleich zu German Hafner war Erika Simon nur relativ kurz in Mainz tätig. Ihre im Wintersemester 1956/1957 eingereichte Habilitationsschrift zur Portlandvase erschien schon kurz darauf 1957 im Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz. Simon forschte und lehrte in ihrer Mainzer Zeit sowohl zu griechischen als auch römischen Themen, so dass sie gemeinsam mit Hafner eine ideale Ergänzung zu Hampe bildete. Nach ihrem Weggang aus Mainz und ihrer 1959 erfolgten Umhabilitation nach Heidelberg entwickelte sie sich zu einer der prägendsten und wissenschaftlich produktivsten deutschsprachigen Archäolog*innen des 20. Jahrhunderts.
Zugleich mit Hampe, Hafner und Simon wirkte von 1953 bis zu seiner Emeritierung 1959 der von der Universität Jena wegen seiner NS-Vergangenheit entlassene Walter Hahland (1901–1966) als sogenannter „Professor zur Wiederverwendung“ an der Mainzer Universität. Hauptberuflich war er in dieser Zeit als Leiter der Presseabteilung der in Mainz ansässigen Jenaer Glaswerke Schott tätig.
Neue Impulse und Wirkungsgeschichte
Die durch Hampe und seinen Mitarbeitern gebotene thematische Vielfalt wurde auch unter Hampes Nachfolger Frank Brommer (1911–1993) beibehalten, der selbst wie sein Vorgänger auf dem Lehrstuhl vor allem einen griechischen Forschungsschwerpunkt hatte. Brommer blieb von 1958 an bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1976 in Mainz und entfaltete hier eine reiche Lehr- und Forschungstätigkeit. Entsprechend seiner Bedeutung als einer der angesehensten Parthenon-Forscher seiner Zeit – er verfasste mehrere Monografien zum Bildschmuck des Tempels – wirkte er darüber hinaus während seiner Mainzer Professur gastweise an bedeutenden Forschungsinstituten in Amerika und an einer englischen Universität.
Im Bereich der Sammlungen legte Brommer im Gegensatz zu Hampe einen stärkeren Akzent auf den Ausbau der Gipsabgusssammlung. Hier gelangen ihm bedeutende Zuwächse. Zudem war er die treibende Kraft beim Umzug des Instituts vom Schönborner Hof am Schillerplatz im Stadtzentrum in das Ende der 1960er neu errichtete Philosophicum auf dem Campusgelände. Ausschlaggebend für seine Entscheidung waren die nun gegebene räumliche Nähe zu den übrigen altertumswissenschaftlichen Fachbibliotheken sowie zur UB und die Tatsache, dass das Institut auf diese Weise endlich über eine moderne Infrastruktur einschließlich eigener Räumlichkeiten für die Bibliothek, die Fotothek, die Original- und die Abgusssammlung verfügte. Mit der Etablierung einer eigenen Fotothek und zeitgemäßen Diathek setzte Brommer sozusagen den Schlussstein beim Aufbau des klassisch-archäologischen Lehrapparates. Mainz gehörte damit nach mehr als zwanzig Jahren intensiver Bemühungen zu den besser ausgestatteten Lehrstühlen im Bundesgebiet. Auch in personeller Hinsicht ließ sich die Konsolidierung weiter vorantreiben. Hafner, der seit 1957 den Titel eines außerplanmäßigen Professors trug, erhielt 1963 die Ernennung zum Wissenschaftlichen Rat, wodurch seine Stelle endgültig verdauert wurde. Nach seiner 1976 erfolgten Pensionierung konnte diese Position immer wieder neu als zweite Mainzer Professur für Klassische Archäologie besetzt werden.
Ebenso gelang es, zusätzlich zu den beiden festangestellten Professores eine ganze Reihe von Nachwuchswissenschaftler*innen für Mainz zu gewinnen, von denen einige in Mainz habilitierten. Zu nennen ist zunächst Hagen Biesantz (1924–1996), der ab 1959 als Assistent von Brommer in Mainz lehrte. Seine Habilitationsschrift von 1962 trägt den Titel Die thessalischen Grabreliefs – Studien zur nordgriechischen Kunst und erschien 1965. Biesantz‘ archäologische Karriere endete nur wenig später, da er sich ab 1966 zunehmend und dann ausschließlich auf seine Arbeit im Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft am Goetheanum in der Nähe von Basel konzentrierte. Klaus Tuchelt (1931–2001), der 1964 nach Mainz kam und hier 1968 eine Habilitationsschrift zu Die archaischen Skulpturen von Didyma – Beiträge zur frühgriechischen Plastik in Kleinasien vorlegte, blieb der Wissenschaft hingegen erhalten. Von Mainz führte ihn sein Weg 1969 nach Istanbul, wo er als Zweiter Direktor der dortigen Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts tätig war, bis er 1981 als Erster Direktor und Stellvertreter des Präsidenten an die Zentrale nach Berlin ging. Lange Jahre leitete er zudem die Ausgrabungen in Didyma. Ein anderer Assistent Brommers, Hermann Büsing, kam nach dem DAI-Reisestipendium 1968/69 an die Mainzer Universität. Dort wählte er ein lokales Thema für seine Habilitationsschrift Römische Militärarchitektur in Mainz (erschienen 1982), die er allerdings erst 1977 nach seinem Wechsel an die Ruhr-Universität Bochum vollendete und dort einreichte. Nach dem Weggang Büsings kümmerte sich zunächst auf Bitten Brommers Ursula Höckmann um die frei gewordenen Dienstgeschäfte. Auch sie habilitierte sich in Mainz, jedoch erst im Wintersemester 1979/1980 unter Fleischer und Wesenberg. Zum Gegenstand ihrer Arbeit wählte sie sich Die Bronzen aus dem Fürstengrab von Castel San Mariano bei Perugia (erschienen 1982). Höckmann war damit eine der wenigen deutschsprachigen Wissenschaftler*innen in der sehr kleinen Runde der internationalen Etruskolog*innen. Von ihr stammt auch der 1987 veröffentlichte Band zu etruskischen Spiegeln diverser deutscher Sammlungen in der Reihe des Corpus Speculorum Etruscorum. Ab 1997 arbeitete Höckmann schließlich als Teilprojektleiterin in einem DFG-Sonderforschungsbereich (s.u.) und widmete sich fortan intensiv Naukratis sowie der zyprischen Kunst. Brommer ließ seinen Mitarbeiter*innen mehr oder minder freie Hand bei der Auswahl ihrer Qualifikationsarbeiten. Dies führte in einem positiven Sinn zu einer thematischen Vielfalt, die ihre Spuren auch in der Lehre hinterlassen hat und von der die Mainzer Studierenden damals nur profitieren konnten.
Generationenwechsel Ende der 70er Jahre
Mit der 1977 erfolgten Berufung Robert Fleischers auf den Lehrstuhl begann eine neue Ära. Da auch German Hafner 1976 pensioniert worden war, stand insgesamt ein Generationenwechsel ins Haus, der 1978 mit dem Amtsantritt von Burkhardt Wesenberg als Nachfolger Hafners einen vorläufigen Abschluss fand. Bis zum Weggang Wesenbergs 1985 nach Regensburg dominierten am Mainzer Institut die thematischen Schwerpunkte der beiden Professores, Archäologie des antiken Kleinasiens und benachbarter Regionen sowie Kunst des Hellenismus (Fleischer) und antike Architektur (Wesenberg), den Lehr- und Forschungsalltag, wobei in der Ausbildung der Studierenden stets auch andere Themen zur Sprache kamen. Während seiner Tätigkeit in Mainz publizierte Fleischer mehrere ausführliche Untersuchungen zu wichtigen Einzelmonumenten bzw. Denkmälergruppen, so die Arbeiten zum Klagefrauensarkophag aus Sidon (1983), den Studien zur seleukidischen Kunst – Herrscherbildnisse (1991) und dem Wiener Amazonensarkophag (1998). An der letzten Arbeit waren zahlreiche Mainzer Studierende beteiligt. Daneben publizierte er auch zu provinzialrömischen Themen (Die römische Straßenstation Immurium-Moosham im Salzburger Lungau,1988) und zu Fragen des Kulturkontaktes (Figurale Bronzen ägyptischer und griechisch-römischer Art vom Jabal al-´Awd, Jemen, 2012). Zuletzt erschien seine Abhandlung zu den Felsgräbern der pontischen Könige in Amasya (2017).
Zusätzlich zu der fest installierten Assistentenstelle konnte bald noch eine weitere feste Mitarbeiter*innenstelle besetzt werden, die sich hauptsächlich um die Bibliothek zu kümmern hatte. Sie wurde zunächst von Dagmar Kemp-Lindemann bekleidet, der 1981 Renate Bol folgte. Bol habilitierte sich 1994 mit einer Arbeit zu den Amzones Volneratae – Untersuchungen zu den ephesischen Amazonenstatuen (1998). Ab 1997 war Bol ebenso wie Höckmann als Teilprojektleiterin in einem geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereich (s. u.) tätig, wo sie sich hauptsächlich mit der Kunst und Kultur der Phönizier sowie des antiken Zyperns befasste. Zu Fleischers Assistenten zählten Friederike Naumann, der heute als Professor für Etruskologie der Universität Roma Tre lehrende Stephan Steingräber und Klaus Junker, von denen sich die beiden letztgenannten auch in Mainz habilitierten: zunächst Steingräber 1994 mit der Schrift Arpi – Apulien – Makedonien – Studien zum unteritalischen Grabwesen in hellenistischer Zeit (2000) und dann Junker 2001 mit Sagenbild und Mythoskritik – Hermeneutische Untersuchungen zu griechischen Sagendarstellungen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. Darüber hinaus gab es zwei externe Habilitationen am Mainzer Institut. Im Jahr 1996 war der Brommer-Schüler Thomas Weber-Karyotakis, der zu Gadara Decapolitana gearbeitet hatte, und 2003 die in Heidelberg bei Tonio Hölscher promovierte Caterina Maderna mit Der Kampf der Götter gegen die Giganten – Zur Geschichte und Funktion des Mythos in der griechischen und römischen Bildkunst erfolgreich habilitiert worden. Ab 1997 war auch Weber gemeinsam mit Bol und Höckmann einer der klassisch-archäologischen Teilprojektleiter des Mainzer SFBs (s. u.). Kürzer am Institut arbeiteten zudem unter Fleischers Ägide seine Schüler*innen Michael Siebler und Dominique Svenson sowie der von Burkardt Wesenberg promovierte Hendrik Svenson-Evers und Leibundguts Schülerin Friederike Fless, die nach einer Professur an der FU Berlin heute als Präsidentin das Deutsche Archäologische Institut leitet.
Etablierung und Ausbau der Forschungsbereiche
1987 wechselte Annalis Leibundgut (1932–2014) von Trier nach Mainz auf die freigewordene zweite Professur, die sie bis 1997 innehatte. Ihr Nachfolger wurde 1998 Detlev Kreikenbom, der 2018 in den Ruhestand ging. Leibundgut ist es zu verdanken, dass die Mainzer Klassische Archäologie von Beginn an eine zentrale Rolle bei der Etablierung und dann der regelmäßigen Weiterbewilligung des geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereiches 295 „Kulturelle und sprachliche Kontakte – Prozesse des Wandels in historischen Spannungsfeldern Nordostafrikas/Westasiens“ spielte. Im Rahmen der insgesamt zwölfjährigen Gesamtförderdauer forschten von 1997 bis 2008 in mehreren klassisch-archäologischen Teilprojekten zahlreiche Wissenschaftler*innen zu ganz unterschiedlichen Themen. In dieser Zeit konnten mit den Fördergeldern viele internationale Symposien in Mainz veranstaltet werden, und von den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen des SFBs zeugen die zahlreichen Veröffentlichungen, die zum Teil in eigens gegründeten wissenschaftlichen Reihen erschienen. Besonders hervorzuheben sind dabei die Aktivitäten Detlev Kreikenboms und seines Teams in Leptis Magna, da die Mainzer Klassischen Archäologen damit über eine eigene Auslandsgrabung verfügten. Detlev Kreikenbom gelang darüber hinaus mehrfach die Einwerbung weiterer Forschungsdrittmittel: Griechisch-römische Marmorplastik aus Syrien; Das Militäredikt des Kaisers Athanasios I. aus al-Hallabat; Edition von Jacob Burckhardts Schriften zur Kunst des Altertums; Griechisch-römische Metallplastik aus den orientalischen Provinzen des Imperium Romanum und dem arabischen Barbaricum. Ferner war er an der erfolgreichen Beantragung eines Graduiertenkollegs zum Thema Raum und Ritual – Funktion, Bedeutung und Nutzung sakral bestimmter Räume und Orte beteiligt. Mit Annalis Leibundgut und Detlev Kreikenbom gehörten dem Institut international anerkannte Spezialisten auf dem Gebiet der antiken Plastik sowie der Rezeptionsgeschichte an. Beide bildeten auf diese Weise eine ideale Ergänzung zu Robert Fleischers Interessensschwerpunkten. Leider konnte Leibundgut ihre „intellektuelle Biographie“, wie sie es selbst nannte, des berühmten Apoll vom Belvedere bis zu ihrem Tod nicht mehr abschließen. Das Manuskript und die dazugehörenden Unterlagen werden im Mainzer Universitätsarchiv aufbewahrt.
Während der gemeinsamen Jahre von Fleischer und zunächst Leibundgut und dann Kreikenbom arbeiteten eine ganze Reihe weiterer Wissenschaftler*innen in Mainz. Einige Mainzer Studierenden wurden mit entsprechenden Dissertationsprojekten zum Teil als Mitarbeiter*innen des SFBs erfolgreich promoviert: Mohammed Al-Daire, Die fünfschiffige Basilika in Gadara-Umm-Quais Jordanien (2001); Simone Frede, Die phönizischen anthropoiden Sarkophage, Teil 1, Fundgruppen und Bestattungskontexte (2000); Karl-Uwe Mahler, Die Architekturdekoration der frühen Kaiserzeit in Lepcis Magna (2005); Andreas Stylianou, Der Sarkophag aus Amathous als Beispiel kontaktinduzierten Wandels (2004). Es waren aber nicht ausschließlich SFB-relevante Themen, die damals im Fokus standen. Abgesehen von der intensiven Forschungstätigkeit setzte man zudem wichtige Lehrimpulse. So erarbeiteten unter Leitung Klaus Junkers Mainzer Studierende eine Sonderausstellung mit gedrucktem Katalog zu den griechischen Vasen aus der Sammlung der Universität Mainz, die den Titel Aus Mythos und Lebenswelt trug und 1999 im Mainzer Landesmuseum zu sehen war. Zudem entwickelte Klaus Junker federführend noch vor Beginn des eigentlichen Reformprozesses einen völlig neuartigen archäologischen Verbundbachelorstudiengang, der alle an der Mainzer Universität vertretenen archäologischen Disziplinen (Biblische, Christliche, Klassische, Vorderasiatische sowie Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie) umfasste und in den sich Studierende erstmals 2004 einschreiben konnten.
Der Arbeitsbereich heute
Als Robert Fleischer 2006 emeritiert wurde und 2008 der SFB auslief, begann abermals eine Phase der inhaltlichen wie personellen Neuorientierung, die bis 2019 dauerte. Zunächst erfolgte 2008 die Berufung von Heide Frielinghaus als Fleischers Nachfolgerin. In gewisser Weise an Hampes und Brommers Forschungsschwerpunkte anknüpfend setzte sie nunmehr einen Schwerpunkt in der Archäologie Griechenlands. Sichtbares Zeichen dessen sind u. a. die Etablierung einer eigenen, gemeinsam mit Jutta Stroszeck vom DAI Athen herausgegebenen Reihe Beiträge zur Archäologie Griechenlands und die darin publizierten einschlägigen internationalen Forschungskolloquien, die bereits zahlreiche griechische Kolleg*innen nach Mainz geführt haben. Mit einem griechischen Thema (Kulte und Heiligtümer in Elis und Tripyhlien) habilitierte sich 2017 Frielinghaus‘ Assistent Oliver Pilz, der seit 2019 als Professor (DAAD-Langzeitdozent für Klassische Archäologie) am Department of Archaeology, School of Archaeology and Tourism der University of Jordan in Amman lehrt. Ebenfalls einen griechischen Forschungsschwerpunkt hat Pilz‘ Nachfolgerin Anne Sieverling. An den Auslandsprojekten von Pilz (Kaulonia in Kalabrien) und Sieverling (Palairos in Akarnanien) wurden und werden regelmäßig Studierende aus Mainz beteiligt.
Im Zuge der Berufungsverhandlungen von Heide Frielinghaus gelang es zudem, genau 60 Jahre nach Gründung der Mainzer Klassischen Archäologie, die Einrichtung einer festen Kuratorenstelle für die Sammlungen, die Patrick Schollmeyer innehat. Seither wurden beide Sammlungsräume renoviert, und es finden regelmäßig Sonderausstellungen statt. Gemeinsam mit der Kunstgeschichte war zudem 2010/11 ein Antrag auf Etablierung eines gesamtuniversitär zu nutzenden Ausstellungspavillons, der sog. Schule des Sehens erfolgreich, in der die klassisch-archäologischen Sammlungen bereits häufiger zu Gast waren. Aber auch außerhalb der Universität wurde Präsenz gezeigt, so 2014 mit einer Studioausstellung anlässlich des 2000. Todestages des Kaisers Augustus im Mainzer Landesmuseum. Zu den weiteren Vermittlungsaktivitäten zählen zudem die Etablierung des Mainzer Archäologischen Netzwerks Universität Schule (MANUS), in dessen Rahmen die hauptsächlich von Schollmeyer betreuten Fortbildungsveranstaltungen für Schüler*innen und Lehrer*innen rheinland-pfälzischer Schulen stattfinden, und die Ende 2019 erfolgte Gründung des „Freundeskreises Klassische Archäologie an der JGU Mainz“.
Im Rahmen eines gemeinsamen Berufungsverfahrens konnte die Mainzer Klassische Archäologie ihren Personalbestand um eine weitere Professur aufstocken: Mit der 2018 erfolgten Ernennung von Alexandra W. Busch zur Generaldirektorin des RGZM und zur Universitätsprofessorin gelang die Etablierung eines zusätzlichen, an deutschen Universitäten nur sehr selten vertretenen Schwerpunktes im Bereich der Archäologie der römischen Provinzen. Er stellt eine ideale Ergänzung zur sonstigen fachlichen Ausrichtung der Mainzer Klassischen Archäologie dar, innerhalb derer die beiden älteren Lehrstühle vornehmlich der Archäologie Griechenlands und Roms gewidmet sind.
Mit der 2019 erfolgten Berufung von Johannes Lipps als Nachfolger von Detlev Kreikenbom kamen neue Forschungsprojekte im Bereich der römischen Archäologie nach Mainz: Antikes Städtewesen auf Djerba, Ausgrabungen im sog. Comitium von Pompeji, Die antiken Bauglieder im Museum Gregoriano Profano, Die römische Architektur von Ladenburg, Die spätantike Zerstörung der Basilica Aemilia am Forum Romanum, disiecta membra. Steinarchitektur und Sädtewesen im römischen Deutschland. Zudem konnte ein GFK-Fellowship „Roman-City“ eingeworben werden. Lipps Assistent, Paul Pasieka, wiederum schreibt mit dem von ihm gemeinsam mit Mariachiara Franceschini (Universität Freiburg) geleiteten Projekt Cityscape und Stadtentwicklung des antiken Vulci die etruskologische Tradition (s. o.) der Mainzer Klassischen Archäologie fort.
Durch die unterschiedlichen Interessensschwerpunkte der drei Professores und ihrer jeweiligen Mitarbeiter*innen kann an der JGU das Fach Klassische Archäologie folglich in seiner ganzen chronologischen, geografischen und thematischen Breite studiert werden. Hinzu kommt die den Mainzer Standort besonders auszeichnende Vernetzung mit einer Vielzahl anderer altertumswissenschaftlicher Disziplinen (Ägyptologie, Alte Geschichte, Altorientalische Philologie, Biblische Archäologie, Christliche Archäologie, Klassische Philologie, Vorderasiatische Archäologie, Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie), wie sie in dieser Bandbreite nur an wenigen anderen deutschen Universitäten gegeben ist, und die ihren Niederschlag bereits in gemeinsamen Projekten (interdisziplinäre Lehrveranstaltungen, Vortragsreihen, Tagungen, Ausstellungen, Publikationen und Forschungsanträge) gefunden hat. Zur Stärkung der gemeinsamen Aktivitäten schloss sich der Großteil der genannten Fächer mit Wirkung zum 1. Oktober 2013 zum gemeinsamen Institut für Altertumswissenschaften zusammen (IAW). Darüber hinaus ermöglicht die Kooperation mit den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Rhein-Main-Gebiets (VARM Verbund Archäologie Rhein-Main) weitere gemeinsame Forschungs- und Lehrprojekte, von denen gerade auch die Studierenden besonders profitieren, da sie zum Bespiel ohne größere administrative Hürden Vorlesungen und Seminare an allen beteiligten Universitäten belegen können. Auch im Bereich der Forschung und dem Ausbau der internationalen Beziehungen sind in letzter Zeit zusätzliche wichtige Impulse gesetzt worden. Hervorzuheben aus einer ganzen Reihe weiterer entsprechender interdisziplinärer Bemühungen sind beispielsweise sowohl die beiden Graduiertenkollegs Mensch und Natur sowie Byzanz und die euromediterranen Kriegskulturen als auch das große Verbundprojekt 40,000 Years of Human Challenges: Perception, Conceptualization and Coping in Premodern Societies und das wissenschaftliche Netzwerk Kraftprobe Herrschaft – (Re-)Konstruktion von vormodernen Herrscherfiguren zwischen Herausforderung und Behauptung, an denen die Klassische Archäologie jeweils beteiligt ist. Weitere Initiativen werden derzeit entwickelt.
Nach über 70 Jahren Klassischer Archäologie an der JGU Mainz hat das Fach heute somit einen Entwicklungsstand erreicht, von dem der erste Lehrstuhlinhaber 1948 nur träumen konnte. Dies gilt sowohl für die personelle und sonstige Ausstattung (Lehrapparat) des Arbeitsbereichs als auch seine vielfältigen Aktivitäten in Forschung, Lehre und Vermittlung.