Zwei attische Skyphoi

Schalen-Skyphos, Inv. 81 (aus der Sammlung Preyß erworben; Herkunft unbekannt)
Höhe: 11,2-11,4 cm; Durchmesser: 19 cm
Erhaltungszustand: aus zahlreichen Fragmenten fast vollständig zusammengesetzt; einige Fehlstellen ergänzt
Einordnung: attisch-schwarzfigurig, 500-450 v.Chr., Haimon-Gruppe

Skyphos, Inv. 75 (aus der Sammlung Preyß erworben; Herkunft unbekannt)
Höhe: 15,7 cm; Durchmesser: 23 cm
Erhaltungszustand: aus zahlreichen Fragmenten fast vollständig zusammengesetzt; ; einige Fehlstellen ergänzt
Einordnung: attisch-schwarzfigurig, Ende 6. Jh. v.Chr., Klasse der Skyphoi A1

Als Skyphoi (Singular Skyphos) bezeichnet man in der heutigen archäologischen Fachsprache einen bestimmten Typ becherartiger Trinkgefäße. In der Antike wurde der Begriff „Skyphos” dagegen wahrscheinlich für eine Reihe verschiedenartiger Trinkgefäße benutzt. Skyphoi (Abb. 1. 3. 4) weisen einen niedrigen Standring oder konischen Fuß auf, von dem aus die Gefäßwandung zur lippenlosen Mündung leicht konvex und immer steiler ansteigt. Unterhalb der Mündung befinden sich zwei horizontale Rundhenkel. Eine Variante des Skyphos, der sogenannte Schalen-Skyphos (Abb. 1), weicht von der regulären Formgestaltung ab. Der Fuß ist stärker betont, die Wandung steigt deutlich weniger steil an und die leicht konkav eingezogene Lippe ist vom übrigen Gefäßkörper abgesetzt. Der Schalen-Skyphos ist merklich bauchiger als der Skyphos und stellt, wie schon sein Name andeutet, eine Mischform zwischen Skyphos und Schale dar.

Die Ursprünge der Gefäßform reichen bis in die Dunklen Jahrhunderte zurück. In Korinth wurden seit bereits seit dem 8. Jh. v.Chr. skyphosartige Trinkgefäße hergestellt, die man in der Fachsprache als Kotylen bezeichnet. Unter den attischen schwarz- und rotfigurig bemalten Gefäßen kommt der Skyphos sehr häufig vor. Dies gilt auch für die Schwarzfirniskeramik, was darauf hindeutet, dass es sich um ein Trinkgefäß für den täglichen Gebrauch gehandelt hat. Auf Vasenbildern sieht man, dass Skyphoi bei festlichen Gelagen (Symposia) als Trinkgefäße für Wein genutzt wurden. Die Darstellungen zeigen, dass das Gefäß beim Trinken nur mit einer Hand am Henkel gehalten wurde. Alternativ konnte man die Unterseite des Gefäßes mit einer Hand umgreifen.
Ab etwa 530 v. Chr. wurden in Athen extrem große Skyphoi hergestellt, deren Verwendung nicht völlig geklärt ist. Im Gegensatz zu den normalgroßen Skyphoi, die ein Fassungsvermögen von ungefähr 0,4 Litern aufweisen und aus denen man bequem trinken konnte, waren die übergroßen Skyphoi wohl nicht für den täglichen Gebrauch geeignet. Eventuell wurden sie aber trotz ihrer Unhandlichkeit und ihres enormen Gewichts, das aus dem großen Fassungsvermögen resultiert, bei Symposien als Trinkgefäße verwendet. Besonders große und fein dekorierte Gefäße könnten aber auch als Geschenke gedient haben oder in Häusern zur Dekoration aufgestellt worden sein. Darüber hinaus dienten sowohl normal- als auch übergroße Skyphoi häufig als Grabbeigaben.

Der Skyphos Inv. 81 der Mainzer Sammlung (Abb. 1. 2) entspricht in seiner Form der oben beschriebenen Variante des Schalen-Skyphos. Das Gefäß ist recht bauchig, die leicht konkav eingezogene Lippe merklich vom Gefäßkörper abgesetzt. Der untere Teil des Fußes ist tongrundig belassen, darüber folgt ein mit schwarzem Malschlicker überzogener Bereich. Die breite Henkelzone, in der sich auch die schwarzfigurige Dekoration befindet, ist mit einer weißen Grundierung versehen. Im unteren Bereich erkennt man ein schmales Band, das als Standlinie für die Figuren dient. Die Lippe ist wiederum schwarz gedeckt, und auch die Außenseiten der Henkel sind mit Glanzton überzogen.

Beide Seiten des Skyphos sind mit derselben figürlichen Szene verziert, die jeweils von vielblättrigen Palmetten gerahmt wird (Abb. 1. 2). Man erkennt einen unbärtigen, nackten Mann, der mit einem Löwen kämpft. Die Gestalt kniet und zwingt den Löwen mit ihrem Oberkörper zu Boden. Der Löwe wehrt sich, indem er mit seiner hinteren Pranke den Kopf des Angreifers wegdrückt. Im Hintergrund sieht man einen stark stilisierten Baum, dessen Äste sich bis zu den seitlichen Palmetten erstecken. Bei den schwarzen Punkten handelt es sich wahrscheinlich um die Früchte des Baumes. In dem Baum hängen rechts Köcher und Bogen, links Mantel und Keule des Mannes. Anhand dieser Attribute lässt sich die Gestalt zweifelsfrei als Herakles deuten. Dargestellt ist eine der zwölf Taten des Herakles, die Tötung des Nemeischen Löwen.
Roland Hampe hat den Skyphos der nach dem attisch-schwarzfigurigen Haimon-Maler benannten Gruppe zugeschrieben, die in der ersten Hälfte des 5. Jhs. v.Chr. anzusetzen ist. Die Haimon-Gruppe umfasst mehrere Hundert Gefäße, darunter viele Lekythen, die, ebenso wie der hier behandelte Skyphos, häufig in weißgrundiger Technik verziert sind. Auffällig ist, dass die Vasen der Haimon-Gruppe, obwohl ihre Bemalung meist nur von bescheidener Qualität ist, im gesamten Mittelmeerraum verbreitet waren.

Der Skyphos Inv. 75 aus der Sammlung des Instituts (Abb. 3. 4) ist ebenfalls attisch- schwarzfigurig, jedoch deutlich größer als der zuvor behandelte Skyphos Inv. 81. Das Fassungsvermögen bis zum oberen Rand beträgt ungefähr 3,8 Liter, bis zu den Henkeln etwa 2,3 Liter. Der breite Bildfries ist oben durch zwei, unten durch mehrere umlaufende Bänder begrenzt. Unter den Henkeln erkennt man einen nach rechts eilenden, den Kopf zurückwendenden nackten Jüngling mit Speer. Im Gegensatz zu dem Schalen-Skyphos Inv. 81 sind hier auf beiden Seiten des Gefäßes unterschiedliche figürliche Szenen dargestellt. Auffällig ist die Verwendung von purpurner Farbe auf den Gewändern und für die Haarbänder sowie von Deckweiß für die unbekleideten Körperpartien der Frauen.

Die Seite A zeigt Achill im Kampf mit der Amazonenkönigin Penthesileia (Abb. 3). Gerahmt wird die Kampfszene rechts und links von vier bzw. drei Lanzenträgern. Wie im 6. Jh. v.Chr. üblich, ist die Amazone mit Schild, Helm und Lanze wie ein Hoplit bewaffnet. Die Darstellung macht deutlich, dass der Kampf bereits entschieden ist und die Amazone unterliegt.
Auf Seite B erscheint ein weiterer Zweikampf, diesmal zwischen männlichen Gegnern (Abb. 4). Die beiden Frauen unmittelbar hinter den ausschreitenden Hopliten weisen darauf hin, dass hier Achill und Memnon gegeneinander kämpfen, da ihre Mütter, die Göttinnen Eos und Thetis, in ähnlichen Szenen manchmal durch Beischriften namentlich benannt sind. Der Ausgang des Kampfes ist noch offen, doch wusste der antike Betrachter natürlich, dass Achill den Sieg über Memnon davontragen wird.

Vergleicht man den Figurenstil der beiden Skyphoi wird deutlich, dass Inv. 75 etwas älter als der Schalen-Skyphos Inv. 81 ist. Das Gefäß wurde von J. D. Beazley der Klasse der Skyphoi A1 zugeschrieben, die an das Ende des 6. Jhs. v.Chr. gehört.

Inv. 81: R. Hampe - E. Simon, CVA Mainz (1) Taf. 40; E. Hatzivassiliou, Athenian Black Figure Iconography between 510 and 475 B.C. (Oxford 2006) 20. - Inv. 75: Hampe - Simon a. O.; J. Stöcker in: K. Junker (Hrsg.) Aus Mythos und Lebenswelt, Griechische Vasen aus der Sammlung der Universitat Mainz (Worms 1999) 44f.; M. D. Stansbury-O'Donnell, Vase Painting, Gender, and Social Identity in Archaic
Athens (Cambridge 2006) 151. - Zur Form: W. Schiering, Die griechischen Tongefäße 2(Berlin 1983) 158.

Katharina Pachen