Zwei korinthische Alabastra

Inv. 66 und 67 (1951 aus der Sammlung Preyß erworben; Herkunft unbekannt)

Höhe: 21,2 cm (Inv. 66); 23,7 cm (Inv. 67)

Erhaltungszustand: keine Bruchstellen, teilweise Fehlbrand

Einordnung: Korinth, schwarzfigurig, erstes Viertel 6. Jahrhundert v.Chr.

Ungewöhnlich mag die Form des griechischen Alabastrons (Plural Alabastra) erscheinen, doch ist nicht nur die Funktion des Gefäßes, sondern auch die äußere Gestalt noch heute bei Parfümflakons greifbar. Seinen Ursprung hat die Gefäßform in Ägypten und im Vorderen Orient. Im ägyptischen Bereich, wo die Alabastra nur aus Alabaster gefertigt wurden, tauchen die frühesten Exemplare im 3. Jahrtausend v.Chr. auf. In Griechenland erscheint die Gefäßform im 7. Jahrhundert v.Chr. Zunächst greifen korinthische Töpfer die birnenförmiger Variante auf (Abb. 1-3); ab der Mitte des 6. Jahrhunderts produzieren Werkstätten in Attika dann längliche Alabastra (Abb. 4). Die Gefäße werden nun auch aus anderen Materialien wie Ton, Glas und Metall hergestellt.

Nicht eindeutig geklärt ist die Bedeutung des Namens Alabastron. Dass er bereits in der Antike verwendet wurde, belegen Textstellen bei Herodot und Plinius. Die Benennung erfolgte sehr wahrscheinlich aufgrund des Alabasters, der in Ägypten ja ausschließlich als Material für das Gefäß verwendet wurde. Denkbar ist aber auch eine Benennung nach der Form, denn zumindest die attischen Alabastra besaßen keine Henkel und waren somit alabes, d.h. "ohne Henkel".

Das Alabastron hat einen eher länglichen Körper und besitzt einen flachen Mündungsteller mit einer engen Öffnung. Von der korinthischen Variante der Gefäßform, zu der die hier vorgestellten Exponate gehören (Abb. 1-3), sind frühe Exemplare mit einer Größe von nur 6 cm bekannt. Die übliche Höhe im 6. Jahrhundert beträgt ca. 20 cm, doch haben sich auch bis zu 40 cm große Exemplare erhalten. Die Gefäßform erinnert an einen mit Flüssigkeit gefüllten Beutel aus organischem Material und weist damit möglicherweise auf Vorbilder aus Leder hin. An den bauchigen, sich nach oben hin verjüngenden Gefäßkörper schließt sich direkt der Mündungsteller an. Die korinthische Formvariante besitzt keinen abgesetzten Hals, dafür aber einen Ösenhenkel, der sich unterhalb des Mündungstellers befindet (Abb. 3). Durch diesen konnte man eine Schnur ziehen, um das Gefäß daran aufzuhängen.

Ab der Mitte des 6. Jahrhunderts wird die korinthische Form des Alabastrons von der in den konkurrierenden attischen Werkstätten hergestellten länglichen Variante abgelöst (Abb. 4). Aufgrund des halbkugelig ausgebildeten Bodens war das mit einer Durchschnittsgröße von 12 bis 14 cm deutlich kleinere attische Alabastron im Gegensatz zum korinthischen nicht mehr standfähig. Zudem werden Gefäßkörper und breite Mündungsscheibe durch einen dünnen, konkaven Hals verbunden, um den eine Schnur gewickelt werden konnte. Daneben gab es noch die Möglichkeit, die Alabastra in hölzernen Kästchen, sog. Alabastrotheken aufzubewahren. Die korinthischen Ösenhenkel waren nun hinfällig geworden und verkümmerten zu kleinen Schmucknoppen (Abb. 4).

Das Alabastron wurde als Salbgefäß sowohl im häuslichen Bereich als auch im sepulkralen Kontext verwendet. In beiden Fällen war es ausschließlich Gegenstand der Frau (vgl. Aryballos). Als Behälter für Salben, Öle und Parfüm diente es der Hautpflege und Kosmetik. Um den Inhalt zu entnehmen, tauchte man ein langes, dünnes Stäbchen in die Öffnung und trug die Substanz auf Haar oder Haut auf. Überschüssiges Öl strich man auf dem Mündungsteller ab, der oft ein wenig nach innen geneigt war, damit die Flüssigkeit wieder zurückfließen konnte. Ob die Alabastra verschlossen wurden, ist weder durch Schriftquellen noch durch Darstellungen belegt. Denkbar wären aber Deckel aus Wachs, Holz oder Leder.

Im sepulkralen Bereich diente das Alabastron als Grabbeigabe, vor allem aber wiederum als Salbgefäß. Es enthielt die duftenden Essenzen, mit denen der Verstorbene gesalbt wurde. Bemerkenswert ist, dass um 450 v.Chr. vermehrt weißgrundige Alabastra und weißgrundige Lekythen (vgl. Lekythos) auftauchen. Kurz darauf bricht die Produktion figürlich bemalter attischer Alabastra, die seit der Mitte des 6. Jahrhunderts in großer Zahl hergestellt worden waren, unvermittelt ab. Die Ursache dafür könnten Veränderungen in den Grabriten gewesen sein, in deren Verlauf die Funktion der bemalten Tonalabastra in den weißgrundigen Lekythen aufging.

Die beiden Alabastra Inv. 66 und Inv. 67 der Mainzer Sammlung (Abb. 1-3) entsprechen mit ihrem birnenförmigem Körper und dem kleinen Ösenhenkel ganz der korinthischen Formvariante. Sie sind aus dem für korinthische Keramik charakteristischen cremefarbenen Ton gefertigt und schwarzfigurig bemalt. Bis auf abgeblätterten Malschlicker und Fehlbrandstellen sind beide Alabastra sehr gut erhalten und weisen keine Bruchstellen auf. Auffällig ist, dass die Binnenritzung teilweise nachlässig ausgeführt ist. Obwohl keine Angaben zu ihrer Herkunft vorliegen, ist eine Verwendung dieser Stücke als Grabbeigabe daher sehr wahrscheinlich. Die Verzierung der Gefäße ist für korinthische Alabastra typisch: horizontale Bänder, ein Zungenband am Übergang zum Mündungsteller (bei Inv. 66 zusätzlich darauf), eine Punktreihe am Rand der Mündungsscheibe (bei Inv. 67 auf der Scheibe).

Füllmotive wie Punkte, Klecksrosetten und große, sonnenblumenähnliche Rosetten mit Binnenritzung füllen die leeren Räume um das jeweilige Hauptmotiv aus, das sich bei den beiden vorgestellten Stücken gut in das beliebte Thema der Tier- und Mischwesendarstellungen einreiht. So zeigt Inv. 67 einen nach rechts gerichteten Greifen in Profilansicht (Abb. 1). Das Untier sitzt auf den Hinterläufen, die großen, mit purpurroter Farbe akzentuierten Schwingen reichen so weit um das Gefäß herum, dass sie sich auf der Rückseite fast berühren. Der Schnabel des Adlerkopfes ist weit aufgerissen, vor den großen Ohren sitzt ein Stirnknaufpaar, ein für Greifen typisches Attribut. Auf dem geringfügig kleineren Gefäß Inv. 66 sind ebenfalls geflügelte Mischwesen mit Löwenkörper abgebildet: zwei Sphingen sitzen sich gegenüber (Abb. 2). Zwischen den beiden Frauenköpfen mit langem Haar und Stirnband befindet sich eine "Sonnenblumenrosette'. Die Flügel und Schwänze der beiden Tiere überschneiden sich auf der rückwärtigen Seite. Im Gegensatz zu Inv. 67 wurde hier keine rote Farbe verwendet; die rötliche Verfärbung sowie der generell schlechtere Zustand des Glanztons sind auf einen Fehlbrand zurückzuführen.

Die große Ähnlichkeit in der Ausführung der Pfoten, Hinterläufe und Flügel der Mischwesen auf beiden Alabastra (Abb. 1. 3) gibt Grund zu der Annahme, dass sie von demselben Maler verziert wurden. Tatsächlich schreibt D. Amyx beide Gefäß
e dem Laurion-Maler zu, einem auf Aryballoi und Alabastra spezialisierten Künstler der mittel- und spätkorinthischen Phase (ca. 595-550 v.Chr.)

Die Mainzer Sammlung besitzt auch ein attisches Alabastron. Das rotfigurig bemalte Exemplar weist alle bereits erläuterten Merkmale dieser Formvariante auf. Das Gefäß zeigt stehende Frauen, die mit einem langen, faltenreichen Chiton und einem Mantel bekleidet sind. Eine der Frauen trägt in der Rechten ein Alabastron an einer Schnur, die andere hält in der rechten Hand einen ursprünglich weißen Kranz und in der linken einen Kalathos (Abb. 4). Ein zwischen den Frauen stehender Hocker weist darauf hin, dass sie sich im Inneren eines Hauses befinden. Solche häuslichen Szenen sind typisch für die Bemalung der rotfigurigen Alabastra dieser Zeit und passen hervorragend zum Verwendungszweck des Gefäßes. Unter dem Kalathos befindet sich eine verblasste Kalos-Inschrift. Neben diesen bei Alabastra des 5. Jahrhunderts häufig vorkommenden Beischriften und den geläufigen Töpfer- oder Malerinschriften sind von Salbgefäßen noch so genannte Parfüminschriften bekannt, die Rückschlüsse auf die Inhaltsstoffe des Produktes erlauben, wie z.B. Zimt oder Iriswurzel.

Literatur

Inv. 66: E. Simon - R. Hampe, CVA Mainz (1) Taf. 29, 1-3; D. A. Amyx, Corinthian Vase Painting of the Archaic Period (Berkeley 1988) 181. - Inv. 67: Simon - Hampe a. O. Taf. 28; Amyx a. O. 181. - Zur Gefäßform: H. E. Angermeyer, Das Alabastron (Gießen 1936); W. Schiering, Die griechischen Tongefäße ²(Berlin 1983) 53. 140; Amyx a. O. 437-440. - Zu den Parfüminschriften: H. Gericke, Gefäßdarstellungen auf griechischen Vasen (Berlin 1970) 72-75.

Elisa-Marie Bandlow